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| - | ====== Abitur 2023: Deutsch ====== | ||
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| - | Format III: Prosa | ||
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| - | ==== Aufgabenstellung ==== | ||
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| - | <WRAP center round box 60%> | ||
| - | - Interpretieren Sie den Prosatext Seegeister von Ilse Aichinger! Gehen Sie dabei insbesondere auf die erzählerische Gestaltung des Textes ein! ca. 80% | ||
| - | - Erläutern Sie auf der Grundlage Ihrer Ergebnisse, in welcher Weise parabolisches Erzählen Zugänge zum Verständnis der Welt eröffnen kann! ca. 20% | ||
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| - | ==== Text ==== | ||
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| - | **Ilse Aichinger (1921–2016): | ||
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| - | Den Sommer über beachtet man sie wenig oder hält sie für seinesgleichen, | ||
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| - | Da ist der Mann, der den Motor seines Bootes, kurz bevor er landen wollte, nicht mehr abstellen konnte. Er dachte zunächst, das sei weiter kein Unglück und zum Glück sei der See groß, machte kehrt und fuhr vom Ostufer gegen das Westufer zurück, wo die Berge steil aufsteigen und die großen Hotels stehen. Es war ein schöner Abend, und seine Kinder winkten ihm vom Landungssteg, | ||
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| - | Er hatte entdeckt, daß sein Benzintank leck war, das Benzin war längst ausgelaufen, | ||
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| - | Aber er konnte, während er fuhr, den lecken Tank nicht abdichten und fuhr immer weiter. Jetzt erleichterte ihn nur mehr der Gedanke, daß sein Tank doch eines Tages den See ausgeschöpft haben müsse, und er dachte, es sei eine merkwürdige Art des Sinkens, den See aufzusaugen und zuletzt mit seinem Boot auf dem Trockenen zu sitzen. Kurz darauf begann es zu regnen, und er dachte auch das nicht mehr. Als er wieder an dem Haus vorbeikam, vor dem das Mädchen gebadet hatte, sah er, daß hinter einem Fenster noch Licht war, aber uferaufwärts, | ||
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| - | Am nächsten Morgen wunderten sich seine Freunde, die beim Frühstück auf der Terrasse saßen, daß er schon so früh auf dem Wasser sei. Er rief ihnen fröhlich zu, der Sommer ginge zu Ende, man müsse ihn nützen, und seinen Kindern, die schon am frühen Morgen auf dem Landungssteg standen, sagte er dasselbe. Und als sie am nächsten Morgen eine Rettungsexpedition nach ihm ausschicken wollten, winkte er ab, denn er konnte doch jetzt, nachdem er sich zwei Tage lang auf die Fröhlichkeit hinausgeredet hatte, eine Rettungsexpedition nicht mehr zulassen; vor allem nicht angesichts des Mädchens, das täglich gegen Abend die Wellen erwartete, die sein Boot warf. Am vierten Tag begann er zu fürchten, daß man sich über ihn lustig machen könne, tröstete sich aber bei dem Gedanken, daß auch dies vorüberginge. Und es ging vorüber. | ||
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| - | Seine Freunde verließen, als es kühler wurde, den See, und auch die Kinder kehrten zur Stadt zurück, die Schule begann. Das Motorengeräusch von der Uferstraße ließ nach, jetzt lärmte nur noch sein Boot auf dem See. Der Nebel zwischen Wald und Gebirge wurde täglich dichter, und der Rauch aus den Kaminen blieb in den Wipfeln hängen. | ||
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| - | Als letztes verließ das Mädchen den See. Vom Wasser her sah er sie ihre Koffer auf den Wagen laden. Sie warf ihm eine Kußhand zu und dachte: „Wäre er ein Verwunschener, | ||